„Ganz Bamberg hasst die AfD!“ – antifaschistische und abschiebungskritische Demo platzt aus allen Nähten!

Am 20. Januar fand ab 14:30 Uhr auch in Bamberg eine Demonstration gegen die AfD aufgrund der Recherchen von correctiv.org unter dem Titel „Demokratie verteidigen“ statt.  Die Versammlung begann am Bahnhofsvorplatz und zog dann zum Maxplatz. Es kamen mindestens 6000 Menschen zusammen. Wir haben die Demo journalistisch begleitet und dokumentieren sie hier für euch.

Um 14:15 Uhr waren beide Freiflächen am Bahnhofsvorplatz bereits gut gefüllt, auch an den Bushaltestellen vor dem Bahnhofsgebäude standen bereits einige Menschen. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits von den Organisator*innen emsig nach Ordner*innen gesucht, da immer mehr Menschen zuströmten. Diese hatten auch auf Instagram den Wunsch zum Ausdruck gebracht, weder National- noch Parteifahnen auf der Veranstaltung sehen zu wollen – Die Parteien Bündnis 90/Die Grünen und die SPD waren aber mit reichlich Parteimaterial gekommen. Nach kurzer Kommunikation diesbezüglich wurde es aber größtenteils wieder eingepackt.

Demonstrierende am Bahnhofsvorplatz (Bild: Martin Müller)
Es war kurz nach halb drei, als aus dem Lautsprecherwagen das erste Mal Musik zu hören war. Währenddessen gab es auch im Publikum zwei Skurrilitäten zu beobachten: Ein Mann mit einem Schild mit der Aufschrift „Einigkeit und Recht und Freiheit statt Spaltung und Hetze“ hatte gleich vier Deutschlandfahnen dabei, im Laufe der Demo schwenkte auch er immer weniger bis keine davon. Außerdem streamte Andreas „Deas“ Roensch, ein ehemaliger DIE PARTEI-Politiker, die Veranstaltung live. Er ist dem verschwörungsideologischen Spektrum zuzuordnen und lief montags öfter bei „Stay Awake Bamberg“ mit. Videos von Roensch landeten außerdem in der Vergangenheit über Umwege beim Hallenser Neonazi Sven Liebich.
Deas Roensch auf der Demonstration am Bahnhofsvorplatz (Bild Martin Müller)
Vom Lautsprecherwagen kam um 14:40 Uhr dann erste eröffnende Worte. Da die Teilnehmendenzahl inzwischen weit über 3000 gestiegen war und auch die Luitpoldstraße vorm Bahnhof zugestellt war, bekamen diese Eröffnung auch maximal die Hälfte der Teilnehmenden mit. Der erste Redebeitrag, den wir dokumentieren konnten, kam vom Bayerischen Flüchtlingsrat (BFR). Die Rednerin zeigte sich besorgt darüber, dass die Ampelkoalition und andere bürgerliche Parteien versuchen, der AfD das Wasser abzugraben, um ihnen so die Stimmen zu nehmen. Besonders die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS-Reform, bei dem unter Anderem Asylgrenzverfahren unter Haftbedingungen für manche Menschengruppen möglich gemacht wurden, hielt sie für einen Skandal, das alles mache die politische Rechte in Europa nur stärker. Stattdessen müsse sich für mehr Solidarität stark gemacht werden, denn: „Es gibt keine Menschen zweiter Klasse, kein Mensch ist illegal!“
Was nun passierte, hat ein Ordner der Demonstration im späteren Verlauf erst berichtet und außer ihm kaum wer wahrgenommen: Zwei aus der verschwörungsideologischen Szene bekannte Personen wollten sich dem Aufzug wohl anschließen, wurden von besagtem Ordner aber davon abgehalten, weshalb sie ihn in eine Diskussion verwickelten. Der Ordner konnte erfolgreich die Teilnahme der beiden am Aufzug verhindern. Wiedersehen sollte er sie trotzdem noch an diesem Samstag.
Unter „Ganz Bamberg hasst die AfD“-Rufen begann die Menschenmasse sich dann in Bewegung zu setzen und legte damit den Verkehr in der Weltkulturerbestadt komplett lahm. Kritisch anzumerken bleibt hier jedoch, dass die Polizei die Sicherung der Veranstaltung kaum gewährleisten konnte: Außer am Schönleinsplatz und der Luitpoldbrücke wurde an keiner Krezung oder Abbiegung ein*e Beamt*in abgestellt, von einem Streifenwagen ganz zu schweigen. Das Ausbleiben von Straßensperrungen hat in der Vergangenheit schon oft zu gefährlichen Situationen mit Autos geführt. Im Rahmen von Gesprächen mit dem Bamberger Ordnungsamt und Vertretern der Polizei ist das von der Bamberger Zivilgesellschaft auch vermehrt angesprochen worden, Besserung scheint hier jedoch keine in Sicht.
So blieb auch die Beleidigung einer Passantin in Richtung der Demonstrierenden ungestraft, die in Bezug auf die AfD meinte: „Das ist kein Rassismus, jedes Land hat irgendwelche Grenzen, ihr Spackos.“
Als der Demonstrationszug am Maxplatz ankam, wurde die Lage wieder etwas unübersichtlicher: Es waren schlicht zu viele Menschen auf die Fläche vor dem Rathaus gekommen. Ebenfalls auf den Platz gekommen waren aber auch drei sportliche junge Männer, einer von ihnen trug ein hellblaues AfD-Shirt unter seiner geöffneten Jacke. Nach wenigen Minuten verschwanden die Provokateure auch wieder.
Provokateur am Maxplatz im AfD-Shirt

Bei eisigen Temperaturen trotz Sonnenschein trat dann eine Vertreterin der OMAS GEGEN RECHTS ans Redepult. Für sie haben sich die meisten Parteien mit nach rechts bewegt, allen voran die CDU: „Für Friedrich Merz muss es ein feuchter Traum sein, Vizekanzler unter Höcke werden zu dürfen. Gemeinsamkeiten gibt’s genug: Polemik, Hetze, Häme, Ausgrenzung und Überheblichkeit.“ Für problematisch erachtete sie auch die ungleiche Vermögensverteilung auf der ganzen Welt: So sprach sie an, dass deutscher Reichtum oft auf NS-Zwangsarbeit zurückzuführen ist und dass Amazon-Chef Jeff Bezos in einer Sekunde so viel wie eine*r seiner Arbeiter*innen in fünf Jahren verdiene.  Auch für die Bauernproteste hatten die OMAS scheinbar wenig Verständnis, wenn sie mit stumpfer Rhethorik der Ampelregierung für alles die Schuld geben: „Hey, ihr hochsubventionierten CSU- und Freie-Wähler-Bauern“, rief die Rednerin über den Maxplatz, “ wer war denn die letzten 40 Jahre im Landwirtschaftsministerium?“ Dass sich auch bei den Bauernprotesten wieder Rechte formieren, um unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bedrohen, bringe die OMAS auf die Straße, betonte sie zum Schluss.


Schlusskundgebung am Maxplatz (Bild: Martin Müller)

Abseits des Lautsprecherwagens waren einige Fahnen der Europäischen Union aufgefallen, oft von Mitgliedern der Partei VOLT mitgeführt. Gerade in Anbetracht der in der Rede des BFR aufgeführten GEAS-Reform stieß das bei vielen Teilnehmenden auf Ablehnung: „Diese Fahnen sind gehässig und zynsich, weil Menschen an den EU-Außengrenzen immer noch sterben und Deutschland das unterstützt und finanziert,“ sagt uns ein*e Teilnehmer*in dazu am Maxplatz.

Im nächsten Redebeitrag teilte die antifaschistische Gruppe KIBA ihre Erkenntnisse und Einschätzungen aus den letzten Jahren. Die Rednerin betonte, wie wenig es bei fremdenfeindlichen Aussagen von Söder und Merz verwundern sollte, dass auch Mitglieder der Unionsparteien auf dem Treffen in Potsdam waren: „Die Unionsparteien sind im rechten Sumpf längst angekommen und fühlen sich dort wohl.“ Außerdem zeigte der Redebeitrag auf, dass der Aufstieg des umstrittenen Daniel Halemba in der AfD durchaus System hat: „Halemba verdankt seinen Einzug in den Landtag einem aggressiv agierenden Netzwerk von Burschenschaftlern in der AfD.“ Aus der Bamberger AfD nahm die Rednerin vor allem Kreisrat und Mitglied des Landtags Florian Köhler in den Fokus: Er sei durch verbale und körperliche Aggressivität aufgefallen, weshalb der Stadtverband von „BÜNDNIS 90/Die Grünen“ auch im vergangen September einen Strafantrag gegen ihn stellen ließ. Über die Bamberger AfD, die das Verhalten Köhlers toleriert und unterstützt, spannte die Rednerin dann den Bogen zur verschwörungsideologischen Szene in Bamberg. Diese sei sehr pressefeindlich, was sich auch durch eine Verknüpfung mit den Bauernprotesten gezeigt habe: „Dass an einem mitfahrenden Traktor eine Ampel von einem Galgen baumelt und das nächste Nutzfahrzeug ein Schild mit der Aufschrift „Lügenpresse halt die Fresse“ voranführt, stört das Publikum nicht, im Gegenteil: Journalist*innen erhalten von Teilnehmenden des Aufzugs nebst Beschimpfungen inzwischen auch Aufkleber mit der Aufschrift „Anti-AntiFa Bamberg“.“ Das Publikum zeigte sich schockiert von diesen Berichten, die laut KIBA zum „traurigen Alltag in Bamberg“ gehören. Deshalb fordete sie die Teilnehmenden zum Ende ihrer Rede auf, auch gegen „die autoritären Verschärfungen in diesem Land, die von konservativen Parteien und Regierungen längst in Gesetze gegossen worden sind“ zu protestieren.

Der Maxplatz wurde etwas leerer, da neben der Kälte nun auch die Dämmerung einsetzte, als unser Kollege aus der Hochschulgruppe für die DGB-Jugend ans Mikrofon ging, waren trotzdem noch ca. 1000 Personen anwesend. Der junge Gewerkschafter war wütend über die hohen Umfrageergebnisse der AfD: „Niemand kann im Nachhinein sagen, man hätte es nicht gewusst. Wer Deportationen von Menschen plant, ist ein rechtsextremer Verfassungsfeind.“ Auch er nahm nach den Uniosnparteien, die sich laut ihm die Sprache der Rechten angeeignet haben, die Regierungsparteien in den Fokus der Kritik: FInanzminister Lindner sei beschämend bei Landwirt*innen aufgetreten, als er vor ihnen dafür warb, Asylberwerberleistungen weiter streichen zu wollen und Arbeistminister Hubertus Heil spiele die Ärmsten der Gesellschaft, die sich nicht wehren können, gegen die Mittelschicht aus. „Es ist höchste Zeit, dass sich die Parteien wieder an ihre Grundwerte erinnern ud dahin zurückkehren“, forderte er. Zuletzt betonte er, dass eine wehrhafte Demokratie nicht umsonst diesen Namen tragen könne und forderte deshalb ein AfD-Verbot.

Unter lautem Applaus endete mit dem gewerkschaftlichen Redebeitrag auch die Versammlung, die Berichterstattung aber noch nicht: Dem oben erwähnten Ordner fielen die beiden Personen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum, die zweifelsfrei dem rechtsoffenen Querdenken-Ableger „StayAwake Bamberg“ zuzuordnen sind, am Maxplatz erneut ins Auge: Sie diskutierten gerade in angesäuertem Ton mit einer Awareness-Person der Versammlung, warum sie nicht mitlaufen durften und warfen der Demonstration Ausgrenzung vor, da sie ja alle die AfD hassten. Von den inzwischen ca. zehn umstehenden Personen wurde diese Argumentation als mehr als absurd bewertet, weshalb die beiden Querdenker*innen dann auch recht schnell mit einem weiteren Unterstützer, der sich spontan fand, von dannen zogen.


Collage der Störer*innen am Maxplatz (Bilder: Martin Müller)

Die Veranstalter*innen zeigten sich übrigens überwältigt von der Masse an Menschen, die am Samstag ein Zeichen gegen den Rechtsruck setzte und warben dafür, dass weitere progressive Versammlungen wie die Mahnwache Asyl oder das Hanaugedenken eine ebenso hohe Teilnehmendenzahl verdient hätten.