Unsere Redebeiträge zum Warnstreik

Banner Wir halten den Laden am Laufen von ver.di(Bildquelle: ver.di)

Am 25. November haben neben ver.di und weiteren DGB-Gewerkschaften  auch unsere Hochschulgruppe zur Beteiligung an den Warnstreiks aufgerufen. Am Ende waren laut ver.di Oberfranken-West auf Facebook „120 Beschäftigte aus dem Studentenwerk, aus der Uni, vom LIfBi, vom Landesamt für Denkmalschutz, vom Staatl. Bauamt, vom Bayernhafen und der JVA sowie Studierende beim Streik dabei um ein deutliches Zeichen gegen die Totalblockade der Arbeitgeber zu setzen!“

Aufnahme der Warnstreik-Kundgebung mit den Teilnehmer*innen(Bildquelle: ver.di Oberfranken-West auf Facebook)

Neben Vertreter*innen aus Landes- und Bundespolitik, die die Landesregierung in die Pflicht nahmen, kamen selbstverständlich auch Redebeiträge aus den einzelnen Arbeitsfeldern, die vom TV-L betroffen sind. Diese Perspektiven wurden von einem Mitglied der Hochschulgruppe um die studentische Perspektive in einem Redebeitrag ergänzt. Diese Rede wollen wir auszugsweise dokumentieren:

(…) Bei der Mobilisierungsvorbereitung für heute haben wir uns überlegt, wen wir gerade von den Hiwis ansprechen können, damit sie Streiktag machen, Streikgeld kassieren und hoffentlich auch vom neuen Tarifvertrag profitieren. Aber für Studis geht es nicht nur um den einmaligen Verdienstausfall, nein eigentlich muss man sich bei Verträgen, die im besten Fall ein halbes Jahr laufen, echt gut überlegen, wie ernst man „gewerkschaftlich organisierter Streik ist kein zulässiger Kündigungsgrund“ nehmen soll – cool, dann wird ich nicht gekündigt sondern halt einfach mein Vertrag nicht verlängert und mit ’nem blauäugigem Ersti neu besetzt, während ich mir #ichBinHannah Tweets ausdenken kann.

Solche Situationen sind der Grund für die Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, einem TV-Stud. Wie erwähnt, ich war selbst Hiwi, an zwei verschiedenen Instituten und hatte das Glück größtenteils Sachen zu machen, die mir einigermaßen Spaß gemacht haben oder wo ich immerhin sagen konnte: besser als Gastro. Das Konzept der studentischen Hilfskraftstelle ist bei mir also einigermaßen aufgegangen: Dass ich an den akademischen Betrieb herangeführt werde und bei der Finanzierung meines Studiums nicht zu sehr in andere Fachbereiche abdrifte. Als ich in einem Institut mit Betriebsrat gearbeitet habe, hatte ich auch direkt einen Sechsmonatsvertrag und wurde zeitnah um Rückmeldung wegen Verlängerung gebeten, die Arbeitszeiterfassung hat automatisch berechnet wie viel Urlaub mir zusteht und wie ich Krankentage anrechnen muss. Denn liebe Hiwis: Ihr habt Anspruch auf beides, auch bei flexiblen Arbeitszeiten – rechnet euch anteilig aus wie viel von dem bisschen Mindesturlaub dann für eure Monatsstundenzahl gilt und nehmt den bitte!

Für die meisten Hiwis ist das aber Luxus: gerade was Vertragsverlängerungen angeht wurde es bei meiner anderen Hiwi-Stelle gegen Ende immer echt knapp: ich hab da jedes mal und das waren drei Verlängerungen in anderthalb Jahren, dran erinnert aber parallel angefangen die Feki-Jobbörse durchzuklicken. Dieses angebliche Privileg im Wissenschaftsbetrieb zu arbeiten, heißt dann noch nicht zwangsläufig, dass man auch viel Wissenschaft macht: im schlimmsten Fall bekommt man beim stellvertretenden Ausleihen und Rückgeben mit welche Bücher die Professor*innen gerade lesen und beim Artikelkopieren welche Autor*innen sie davon am interessantesten fanden. Dabei geht da viel mehr: Veranstaltungen organisieren, selbst zu Themen recherchieren – bei den Leuten, mit denen ich studiert habe, waren einige dabei, die das leisten konnten – lasst doch bitte diese Leute mit anständigen Arbeitsbedingungen und einem Gehalt über Mindestlohn fördern. Denn in welcher Uni-Stadt steigen die Lebenshaltungskosten nicht, ganz abgesehen von der aktuellen Inflationsentwicklung? Wenn ein bayerischer Bildungsminister Sibler was von Exzellenzförderung erzählen mag, dann soll er doch bitte die Augen aufmachen, dass schlaue und engagierte Menschen sich nicht automatisch ein Studium leisten können oder wegen prekären Nebenbeschäftigungen bei ihren Studienleistungen Abstriche machen müssen. Deswegen sind die Forderungen der TVStud-Initiative die Abschaffung der Kettenbefristungen und die Einführung von Mindestvertragslaufzeiten sowie existenzsichernde Löhne mit jährlichen Lohnsteigerungen. Außerdem sollen Urlaubsansprüche und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall konsequent durchgesetzt werden und damit das so bleibt sollen studentischen Mitarbeitenden Mitbestimmungsrechte gegeben werden.

Und damit schaffen wir die Basis für gut ausgebildetes wissenschaftliches Personal, das in Forschung und Lehre gute Arbeit leistet und auf das jede Wirtschaft absolut angewiesen ist. Für die rund 300’000 studentischen Beschäftigten landesweit sind deswegen immer mehr Menschen aktiv: die TVStud Initiative in Hamburg hat derletzt einen Hörsaal besetzt und die Kolleg*innen in Hannover sind immer öfter fahnenschwenkend auf der Straße. Auch in Erlangen und Nürnberg finden diese Woche Warnstreiks an den Fachhochschulen statt.“

Weiteres Teilnehmer*innenbild der Warnstreik-Kundgebung(Bildquelle: ver.di Oberfranken-West auf Facebook)

Ein weiteres Mitglied unserer Hochschulgruppe wies auch in seinem Redebeitrag für die GEW nochmalig auf die gegenwärtigen Bedingungen der Studierenden für das Lehramt hin. Auch an dieser Stelle möchten wir dessen Rede dokumentieren:

Liebe Kolleg*innen, liebe Streikende,

toll, dass ihr unserem Aufruf gefolgt seid, denn heute ist kein Arbeitstag – heute ist Streiktag! Für viele von euch ist es der erste Streik, deshalb freut es mich besonders so viele von euch hier begrüßen zu dürfen. Zu streiken erfordert auch Mut und den habt ihr aufgebracht. Deshalb hier nochmal eine kurze Zusammenfassung, wofür ihr heute hier seid, begonnen mit unseren Forderungen für die Schulen: Wir wollen 5 % bzw. mindestens 150 € mehr in allen Entgelttabellen bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Außerdem braucht es eine Erhöhung der Praktikant*innengehälter um 100 €! Weiterhin gilt es für uns als GEW für eine stufengleiche Höhergruppierung zu kämpfen, denn zu oft wird bei höherer Gruppierung die Entgeltstufe nicht mitgenommen – das muss sich ändern! Zu guter Letzt ist die Angleichung der Löhne angestellter Lehrkräfte besonders in dieser Tarifrunde eine wichtige Forderung. Denn eine nicht parallele Entgelttabelle verschlechtert die Löhne im Grundschullehramt und bei Quereinsteiger*innen – und dort haben wir eh schon Personalmangel! An der Uni fordern wir nichts weniger als einen Tarifvertrag für wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte – denn ihr seid es wert!

Doch an Bayerns Universitäten und Schulen seid ihr es als Beschäftigte nicht gerade gewohnt, dass zwei Gewerkschaften euch dazu aufrufen, die Arbeit für heute niederzulegen. Deshalb herrscht ein wenig Ungewissheit darüber, wie mit diesem Streik umgegangen werden soll: Was muss ich und darf ich am Streiktag tun? Muss ich dem Arbeitgeber Bescheid geben? Hier ein paar Dinge kurz erklärt: Erstmal macht ihr es richtig, dass ihr zur Kundgebung hier gekommen seid, um für eure Rechte einzustehen. Die Kolleg*innen aus dem Homeoffice haben den Laptop zugeklappt und sich zu uns gesellt, die Beschäftigten aus den Büros haben die Türen zugesperrt und stehen mit auf der Straße, so muss es sein. Auch wenn diese Kundgebung endet, habt ihr noch bis 23 Uhr das Recht die Arbeit niederzulegen. Damit unser Signal nicht verpufft, bitten wir euch davon Gebrauch zu machen! Denn heute ist kein Arbeitstag, heute ist Streiktag!

Doch warum greifen auch wir von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in diesem Arbeitskampf zum Mittel des Warnstreiks? Eigentlich ist es ganz einfach: Weil die Arbeitgeberseite sich obszön verhält! Auch in der zweiten Verhandlungsrunde gab es schlichtweg kein Angebot, Kolleg*innen von uns aus der Tarifkommission bezeichneten die Verhandlungen bereits als Schmierenkomödie. Der Ernst der Lage wird absolut ignoriert! Wir von der GEW beklagen seit langem einen Lehrkräftemangel, in Bayern graust es mich wenn ich an die Digitalisierung der Schulen denke, ja wenn es denn überhaupt funktionierende Toiletten gibt, und bei den Lehramtsstudierenden haben wir Abbruchquoten von bis zu 50%, weil diese absolut theoretisierte Ausbildung dort den nervenaufreibenden Schulalltag später überhaupt nicht widerspiegelt! Das sind alles Probleme, die wir auch ohne Warnstreik und sogar schon vor der Pandemie auf die Straße gebracht haben! Sich in den Tarifverhandlungen als Arbeitgeber dann hinzustellen und so zu tun als wäre alles Tutti an den Schulen und Universitäten, das ist ja an Ignoranz kaum zu übertreffen! Und deshalb zeigen wir hier heute gemeinsam, dass gute Bildung nicht ausgesessen werden kann!

Und wenn wir schon von Ignoranz reden, komme ich doch mal kurz auf den bayerischen Bildungsminister Piazolo zu sprechen. Der stellte sich mit unserem bayerischen Kaiser Markus zu Beginn des Schuljahres 2019/20 hin und sprach von einer guten Situation an Bayerns Grundschulen. Er meinte, dort gibt es genug Fachpersonal, um den Kindern eine gute Bildung bereitzustellen. Kopfschüttelnd reagierten wir, schrieben Pressemitteilungen, dass wir die Lage für etwas gefährlicher und keineswegs ausreichend erachten. Und im Januar 2020 passierte dann plötzlich folgendes: Piazolo legte fest, dass Grundschullehrer*innen pro Woche nun fünf Stunden mehr unterrichten müssen, da es, Achtung, an Personal an den Schulen fehlt. Die Lehrkräfte sollten seine miserable Personalplanung ausbaden, was ist denn das für ein blamables Armutszeugnis für die Bildungspolitik in Bayern? Wir gingen gemeinsam mit den Lehrkräften auf die Straße, dann kam allerdings die Pandemie, die ja sowieso alles auf den Kopf stellte. Und das tat sie nicht nur an den Schulen. Wir spulen vor in den November 2021, die Auszubildenden der Unikliniken in Würzburg, Erlangen und Augsburg sehen sich zum Streik gezwungen. Einige von ihnen haben am Streiktag Berufsschule, die in Deutschland ebenfalls völlig legal bestreikt werden kann, wenn aufgerufen wurde. Doch was macht Pannenminister Piazolo? Er sagt, wer die Berufsschule an dem Tag schwänzt, möge von den Lehrkräften bitte bestraft werden. Das Fehlen im Unterricht soll hart geahndet werden, da gäbe es auch bei Streiks keine Ausnahme. Was für ein peinlicher Humbug! Und mit Beschlüssen von diesem Minister müssen sich Lehrkräfte Tag für Tag herumplagen, weswegen es umso wichtiger ist, hier heute zu stehen und zu sagen: „Bei eurem Kasperletheater, da machen wir nicht mit! Jetzt wird gestreikt, ohne wenn und aber!“

Wir sehen also, dass es auch in der Politik weiterhin reaktionäre Kräfte gibt, die Streiks um jeden Preis verhindern wollen. Auch das ist ein Grund, warum es um die Streikbewegung in diesem Land oft schlecht bestellt ist. Hier nun zu einem anderen, für den ich leider ein Beispiel habe, das mich wütend und traurig stimmt. Es gibt nämlich Vertretungsorgane, die sich mit Streikenden par tout nicht solidarisieren wollen und auf lächerliche Amtswege verweisen. Ich spreche hier in diesem Fall von Teilen von euch, liebe Bamberger Studierendenvertretung. Wenn eine Gewerkschaft Beschäftigte, die auch ihr vor und in der Universität vertretet, zum Streik aufruft, wäre es auch für eure Glaubwürdigkeit großartig, den Streikaufruf zu teilen. Was ist aber stattdessen passiert? Es wurde aus Gewerkschaftskreisen darum gebeten, den Aufruf in Form eines Sharepics der geschätzten Kolleg*innen der DGB Hochschulgruppe zu teilen. Mit der Aussage, dass keine Inhalte von Hochschulgruppen, sondern nur von Referaten durch die Studierendenvertretung geteilt werden, wurde die Anfrage abgekanzelt. Das ist eine Verfahrensweise, für die auch ich zunächst Verständnis habe. Es geht hier aber nicht um das Sharepic einer Hochschulgruppe, sondern um den Streikaufruf einer Gewerkschaft, der der Studierendenvertretung im Übrigen seit Montagabend vorliegt! Ist es so schwierig, sich da solidarisch zu zeigen und diesen Aufruf zu teilen? Doch dieser Eiertanz geht weiter. Die jungen Gewerkschafter*innen versuchten daraufhin gestern über eine Kollegin, die sich im Hiwi-Referat engagiert, auf der studentischen Vollversammlung auf den Streik aufmerksam zu machen. Nach Komplikationen ging dann wenigstens das. Geteilt hat die Studierendenvertretung seitdem – nun hat ja ein Referat offiziell dazu aufgerufen – nichts.

Ich will hier gar keine böse Absicht unterstellen, sondern mich in erster Linie auch mal bei den Studis bedanken, die sich in diesen Organen engagieren, damit es da nicht mehr so peinlich läuft. Was ich möchte, ist meine Frustration kundtun. Die so genannten „studentischen Mitbestimmungsgremien“ können hochschulweit ohnehin schon kaum etwas bewirken, das kommende Hochschulinnovationsgesetz will ihre Rechte noch stärker beschneiden – und die StuVe kriegt es nicht hin, sich für studentische Kämpfe zu engagieren? Das ist doch traurig. Und das ist ein sehr guter Grund mehr, nicht nur für einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte, sondern auch für eine verfasste Studierendenschaft zu kämpfen. Liebe StuVe Bamberg, in anderen deutschen Städten besetzt die nämlich gemeinsam mit Gewerkschafter*innen Hörsäle für den TVSTUD! Also bitte schließt euch unseren Kämpfen an, denn es sind auch eure – und nur gemeinsam sind wir stark genug, etwas zu bewegen!

Wir fassen zusammen: Dieser Streik ist auch gesellschaftlich notwendig, weil Lehrkräfte und Unipersonal sauer und ausgelaugt sind! Wir müssen unseren Kampf weiter laut auf die Straße tragen, um auch Gruppen zu erreichen, deren Solidarität dringend notwendig ist. Aber was am wichtigsten ist: Ihr, liebe Kolleg*innen, seid da und kampfbereit. Und wenn wir gemeinsam eins können, dann ist es für unsere Forderungen einstehen. Dann wollen wir nämlich mal sehen, wie hart die Arbeitgeber mit ihrem Kalkül auf die Schnauze fliegen können, wenn es nach der nächsten angebotslosen Runde wieder Streiks braucht! Bleibt laut für unsere Forderungen, 5 Prozent mehr fallen nicht vom Himmel! Danke!