FCK HSCHG!

Die DGB-HSG in Nürnberg auf Kundgebung.(Bildquelle: fb.com/GEWBayern)

Am Anfang dieses Monats fand in Nürnberg und München eine Kundgebung der Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften mit Unterstützung der GEW Bayern statt. Unter den Teilnehmenden in Nürnberg (siehe auch Artikel in den Nürnberger Nachrichten, Süddeutsche Zeitung und junge Welt) waren auch Mitglieder unserer Hochschulgruppe vertreten. Auch ein Mitglied und Teil des GEW-LASS steuerte einen Redebeitrag bei, den wir nachfolgend dokumentieren wollen:

Liebe Kolleg*innen, liebe Zuhörer*innen,

jetzt haben wir bereits Einiges über das Eckpunktepapier erfahren: In welche Historik von Hochschulgesetzen es sich einreiht, wie intransparent es kommuniziert wurde und was es für Auswirkungen auf vor allem kleinere Hochschulen hat.
Uns vom Landesausschuss der Studierenden in der GEW Bayern ist es nun aber wichtig herauszustellen, welche Probleme diese Novelle für unsere Kommiliton*innen darstellen wird, kann und welche Risiken und Nebenwirkungen für uns auftreten, wenn man einen normalerweise langwierigen Prozess künstlich durch schlechte Kommunikation beschleunigt.

Dazu erst einmal ein kurzer Lagebericht vom Zustand an den Universitäten: Die FAU Erlangen-Nürnberg darf sich durch den Titel „innovativste Hochschule Deutschlands“ rühmen, während es in Hörsälen von der Decke tropft und einige Gebäude wegen Schadstoffbelastungen von Schwangeren und Stillenden nicht betreten werden dürfen. Die Uni Augsburg liegt ebenfalls hoch im internationalen Ranking, was allerdings in Diskrepanz zu der schlechten Transparenz und den schwierigen Verhältnissen in der Lehre an der Hochschule in der bayerischen Schwabenmetropole steht. Zu guter Letzt bleibt von mir aus Bamberg zu erzählen, dass beim teuren Mensaneubau in der Innenstadt zwar mehr Platz, aber keine Küche vorhanden ist, während das oberste Geschoss des Gebäudes in der Feldkirchenstraße monatelange wegen Einsturzgefahr nicht begehbar war. Bayernweit lässt sich feststellen, dass es zu wenig Lehrende für uns Studierende gibt, der Pädagoge in mir möchte das einen schlechten Betreuungsschlüssel nennen. Und all das waren Probleme, die wir Studierenden bereits vor der Coronakrise zu beklagen hatten. Die logischen Folgen des Infektionsschutzes, wie ein qualitativer Einschnitt in die Lehre durch das Verlieren von Präsenzveranstaltungen und auch die wichtigen Kontakte zu Kommiliton*innen durch das Campusleben, brauchen wohl keine tiefere Erläuterung.

Während dieser sowieso schon schwierigen Zeit soll auf uns nun also eine Gesetznovelle zukommen, die den Wettbewerb zwischen den Hochschulen steigern will – was die angesprochenen Probleme nicht löst, im Gegenteil – den Fokus auf Forschung und Weiterbildung legt sowie geltende Artikel, die studentische Mitbestimmung – gemessen an den schlechten bayerischen Verhältnissen – jedenfalls ein klein wenig vorsehen, streichen will. Profitieren soll von diesen wirtschaftsorientierten Maßnahmen vor allem der MINT-Bereich. Denkt man das aber zu Ende, erschließt sich, dass auch nicht alle Studiengänge des MINT-Bereiches wirtschaftlich interessant sind. Man glaubt dadurch, die Governance zu verbessern, was aber keineswegs passieren wird: Viel eher wird die Aushebelung der Gremien der akademischen Selbstverwaltung und Stärkung der Rechte der Hochschulleitungen zu weniger Mitbestimmungsrechten führen. Das ist weder fair noch sonderlich demokratisch.

Was dagegen passieren kann ist, dass es eine Verpflichtung zu Deutschkenntnissen an bayerischen Universitäten geben wird, ausländische Studierende aus Nicht-EU-Staaten wieder eine Studiengebühr zahlen müssen oder einzelne Leistungen, wie Aufnahmetests, Gebühren kosten. Auch kann es dadurch, dass es mit dieser Novelle weniger staatliche Kontrolle auf das Unigeschehen gibt, zu Studiengangstreichungen kommen. Das wären Rückschritte, die für uns als gewerkschaftliche Vertretung der Studierenden nicht hinnehmbar sind: Ein Studium muss frei zugänglich und kostenlos bleiben! Auch die Lehramtsstudierenden, für dieses neue Papier eine Verwirtschaftlichung ihrer Didaktik und eine ungewisse Zukunft nach ihrer universitären Ausbildung darstellen kann – ohne staatliche Vereinbarungen darüber, wie viele Lehramtsanwärter*innen wo gebraucht werden, lässt sich dieser Prozess nämlich schwieriger steuern – liegen uns am Herzen. Weniger staatliche Vernetzung und Aufgabenverteilung an den Hochschulen kann übrigens auch zu Überforderung führen: Denn mit dieser Novelle haben Hochschulen noch mehr bürokratischen Aufwand und es gab bereits vorher Versagensfälle in diesem Bereich – wie den deutschlandweit schlecht aufgearbeiteten Datenskandal, von dem auch die Uni Augsburg betroffen war und bei dem Studierendendaten in unberechtigte Hände gekommen sind.

Aber schauen wir doch mal gemeinsam in den O-Ton des Papiers. Dort wird uns schnell gezeigt, wie vage, unvollständig und sprachlich weit auslegbar die neuen Vorschläge sind: Herangegangen wird mit der Maxime „Regle nur, was unerlässlich ist“. Wenn man allerdings staatliche Vorschriften und demokratische Mitbestimmung aus diesen Gründen wegnimmt, wird doch die freie Wirtschaft schnell selbst ihre eigenen Regeln aufstellen. Und die Frage, ob diesem Papier die Wirtschaft oder die Menschen mehr am Herzen liegen, beantwortet ja auch die Problematik der Übertragung der Dienstherrenfähigkeit: Nicht mehr Staat, sondern die Hochschule allein ist nun Dienstherr, was die Befristungsproblematik dadurch erhöht, dass sachgrundlose Befristung und eine Aushöhlung des TVL möglich sind. In Nordrhein-Westfalen ist das bereits der Fall.

Das skurrilste Zitat aus dem Papier allerdings stellt für mich die Einleitung für den Bereich Forschung, der mit dieser Novelle Konzernen noch mehr Möglichkeiten für das Nutzen universitärer Strukturen für ihre eigenen Zwecke geben wird, dar: „Beim Vorstoß ins Unbekannte und der Entdeckung von noch nicht Vorstellbarem ist es ein zentrales Anliegen, dass das Ideal der zweckfreien Erkenntnis aufrechterhalten wird.“ Lassen uns diese interstellar klingenden Visionen von „Vorstößen ins Unbekannte“ etwa doch noch auf den baldigen Start einer Bavaria-One-Rakete hoffen oder ist das einfach die geschönte Version von Ahnungslosigkeit der Konsequenzen dieses Papiers gegenüber? Jedenfalls bleibt es eine hohle Phrase, die an der wenig vorausschauenden Realität dieses Papiers scheitern wird.

Das Ganze wäre auch lustig, käme auf der nächsten Seite nicht die dürftige Erläuterung des Bereiches Lehre. Hier wird während eines schweren Jahres in der Lehre durch die Pandemie nicht etwa im offenen Diskurs von Herausforderungen und Möglichkeiten durch den Onlineunterricht gesprochen, sondern mit Fokus auf die Weiterbildung schlicht über die sich „rasant ändernden Anforderungen im Arbeitsleben – z.B. im Zuge der Digitalisierung“. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wenig es hier um die Schwierigkeiten der Studierenden, aber auch Lehrenden und Beschäftigten der Universität geht, und wie sehr um wirtschaftlichen Ausbau um jeden Preis gerungen wird.

Wir halten diese Novelle deshalb für eine Farce, die viel zu undurchdacht deutlich zu schnell studierendenunfreundliche Inhalte durchsetzen will und lehnen sie deshalb vehement ab. Breiter Widerstand formiert sich mit uns und fordert die bayerischen Hochschulen auf, sich diesem Plan der Alleingänge nicht anzuschließen. Organisiert euch und haltet zusammen!

Vielen Dank!

Weitere Teilnehmende an der Kundgebung in Nürnberg(Bildquelle: gew-bayern.de)

Es zeigt sich schon jetzt, dass der Protest sich weiter formieren wird. Hierbei sei auch auf den 19.12. verwiesen. An diesem Tag soll nochmal die studentische Perspektive durch Protest in den digitalen und analogen Raum als Demonstration in den Diskurs getragen werden. Wir bitten euch bei Teilnahme das aktuelle Infektionsgeschehen im Blick zu halten und sich an die geltenden Hygiene-Regeln zu halten.

Also haltet die Augen und Ohren offen und nutzt die Formate um eure Kritik an der geplanten Hochschulnovelle in die Öffentlichkeit zu tragen.