Fight every Crisis! Kunstaktion am Maxplatz

Kunstaktion am Bamberger Maxplatz
(Bildquelle: infranken.de)

Am vergangenen Samstag fand am Maxplatz eine Aktion statt (zur FB-Veranstaltung), um auf die Probleme aufmerksam zu machen, die trotz der Corona-Pandemie nicht plötzlich verschwunden sind. Viele Probleme sind stattdessen noch größer geworden. Dass all diese Probleme nicht in Vergessenheit geraten, sondern angepackt werden, war u. A. Ziel dieser Aktion. Auch wir haben nach unserem Straßentheater „Raus aus der Abseitsfalle“ (Flugblatt zum Straßentheater) die Chance wahrgenommen, um wichtige Themen ins Gedächtnis zu rufen. Nachfolgend dokumentieren wir unseren Redebeitrag vom vergangenen Samstag:

Liebe Bamberger*innen,

wir von der DGB Hochschulgruppe Bamberg wollen auch heute wieder ein kleines Zeichen setzen. Am Gabelmann hatten wir vor eine Weile ein Straßentheater, welches darauf aufmerksam machen sollte, wie systemrelevante Berufe in diesen Krisenzeiten allein gelassen werden und warum es ein falsches Signal ist, die Bundesliga wieder zu starten. Deshalb haben wir hierzu einen kleinen Redebeitrag formuliert, denn wir haben eine Bildungskrise und eine Pflegekrise und auch diese gilt es zu bekämpfen.

Denn die Menschen in systemrelevanten Berufen ackern täglich dafür, den Laden am Laufen zu halten: in der Pflege werden Überstunden und Selbstrisiken in Kauf genommen, im Handel der Geduldsfaden auf die Zerreißprobe gestellt oder die Existenz bedroht und in Bildungseinrichtungen sind die Sorgen groß, wie man eine ganz vorsichtige Öffnung nun gewährleisten soll. Einige Schicksale wurden uns gerade vor Augen geführt. Das sind noch lange nicht alle Berufe, denen gerade Angst und Bange wird beim Gedanken daran, wie dieses Jahr weitergehen soll. Das sind noch lange nicht alle Menschen, die in finanzielle Not geraten sind. Und das sind noch lange nicht alle, die statt Applaus eine bessere Bezahlung und fairere Arbeitsbedingungen verdient hätten!

All diese wichtigen Menschen stehen nicht nur symbolisch in der Abseitsfalle, weil ihnen von Seiten der zuständigen Ministerien keine helfende Hand gereicht wird! Sehen wir uns beispielhaft einmal die Lage einiger Studierenden an: In der Gastronomie beschäftigt und auf das Bafög angewiesen, schlägt die Covid-19-Pandemie wie ein Blitzschlag ein: als geringfügig Beschäftigte sind die Chancen auf Kurzarbeitergeld gering, der Lohn entfällt, die Prüfungen sind verschoben, die Lage ungewiss, der Abgrund, der sich auftut, tief. Da ergibt eine Forderung für eine Annullierung des Semesters oder eine Ausweitung des Bafög für Betroffene schon sehr viel Sinn. Darüber wurde bundesweit in Ausschüssen debattiert, viele Stimmen wurden gehört, am Ende jedoch drückte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek ihren wenig durchdachten Plan durch: einen großzügigen Überbrückungskredit von 650 Euro, den man sogar zinsfrei zurückzahlen kann. Das ist ein Witz und ein weiterer Sargnagel für den Sozialstaat – da können die Fußballfans gerne mal buhen!

Es braucht kein Darlehen, es braucht eine Bafög-Öffnung! Genauso braucht es auch kein Geklatsche für Pflegekräfte, sondern ordentliche Bezahlung! Diesen Pflegekräften geht es nämlich auch nicht gerade besser, auch wenn sie mit dem gestrigen sogar einen eigenen Tag im Kalender verzeichnen dürfen. Hier ist die Lage wie folgt: ein ohnehin bereits lausig bezahlter Berufszweig gerät unter der Pandemie an seine Belastungsgrenzen, in Bayern wird eine bundesweit verhandelte Prämie von 1500 auf 500 Euro runtergehandelt und Fachkräftemangel scheint lapidar, wenn man für die Tapferen nur laut genug klatscht. Und um auch hier aufzuzeigen, wie man als Bundesminister*in komplett an den Forderungen vorbeischießen kann: kurz vorm Arbeitskampftag, dem 1.Mai, wollten Gesundheitsminister Spahn und Arbeitsminister Heil besagte Prämie zu zwei Dritteln von den Arbeitgebern tragen lassen. Erst sparen wir also den Sozialstaat kaputt, was unter rot-schwarz ja eine Koalitionsvereinbarung zu sein scheint, dann lassen wir sie selbst dafür bezahlen, wie Ende April gefordert, und zum Schluss lächeln wir im Livestream des DGB am 1. Mai fröhlich in die Kamera und erzählen den Gewerkschafter*innen und Beschäftigten etwas von Solidarität? Wahre Solidarität muss auch mal wehtun, und zwar in diesem Fall dem Geldbeutel der schwarzen Null!
Und weil das alles noch nicht grotesk genug ist, gibt es in dieser Tragödie noch einen dritten Handlungsstrang. Während Studierende um Hilfe betteln, schweren Herzens aus Infektionsschutz ihre Eltern nicht besuchen und sich Pflegekräfte aus Solidarität gesundheitlichen Risiken aussetzen, setzen die Kanzlerin und Ministerpräsident*innen Verhandlungen mit der DFL an, um den Spielbetrieb in Deutschlands höchster Profiliga ab dem 16. Mai wieder laufen zu lassen. Das ist an Ignoranz kaum zu übertreffen und schlägt dem Desinfektionsmittel-Fass den Boden aus! Nur zur Verdeutlichung: Die Zahlen, die unser Fußballprofi-Darsteller hier genannt hat, sind nicht frei erfunden. Hat die Unterhaltung der Massen seit Neuestem etwa Vorrang vor der Gesundheit?

Froh können wir uns darüber schätzen, dass es den ein oder anderen Profi gibt, der seine Hirnwindungen auch für mehr benutzt als Spielzüge auswendig zu lernen und den Mut hat, vor die Öffentlichkeit damit zu treten. So lässt sich der Ligaveteran Neven Subotic wie folgt zitieren: „Ich bin der erste, der sagt, das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, sollte nachgewiesen werden, dass es Krankenhäusern an Testkits fehlt, wenn wir Spieler mehrmals wöchentlich auf das Coronavirus getestet werden.“ Er weiß dabei auch seine Kollegen mit in die Pflicht zu nehmen, sich ihrer Rolle in der Zivilgesellschaft bewusst zu werden – denn die Vereine und der Verband tun das nicht! Neoliberalismus und Ausverkauf sind in dieser Sparte schon eine Weile in unmoralische Zonen abgedriftet, aber nach solchen Aussagen den Spielstart dringend herbeiführen zu wollen und alles andere auf diesem Planeten zu vergessen, ist eine neue Dimension. An den Außengrenzen der EU hausen im Flüchtlingslager Moria 40000 Menschen auf einer Fläche, die für 3000 gedacht ist. Fließendes Wasser? Fehlanzeige! Die Angst vor einem Grassieren des Virus ist riesig, den Menschen dort wird viel versprochen, aber zu wenig passiert! Und hier in Deutschland werden weder Kosten noch Mühen gescheut, um sogar die zweithöchste Spielklasse schnellstmöglich wieder fortzuführen? Da darf ich den DFL-Geschäftsführer Christian Seifert zitieren, der solche tollen Sätze von sich gibt, nachdem es Infizierte unter den Spielern eines Ostklubs gab: „Wenn Dresden jetzt 14 Tage in die Quarantäne geht, dann ist das für den Moment noch kein Grund, die Fortführung der Zweiten Liga komplett in Frage zu stellen.“ Ich würde ihn ja gern fragen, ob er sich für so etwas nicht schäme, aber ich glaube der Zug ist seit der Affäre um das gekaufte Sommermärchen 2006 wohl abgefahren.

Auch ohne Bratwurst und Bier schafft es der Fußball also in Deutschland, Menschen, die einen wirklich wichtigen Dienst für die Gesellschaft leisten, in den Hintergrund zu drängen und sich millionenverdienend und muskelspielend auf das zu beklatschende Podest zu stellen. Aber nicht mit uns! Gesundheit vor Profiten! Menschenleben vor Unterhaltung! Pflegegehaltserhöhung statt Geisterspielen! Bildungsreform statt Bananenflanke! Studierenden-Hilfspaket statt Stollenschuhen! Bekämpft jede Krise!

Vielen Dank und bleibt gesund!