Raus aus der Abseitsfalle!

Endlich wieder Bundesliga! wtf?
(Bildquelle: dfl.de)

Ganz Deutschland atmet auf: Endlich wieder Bundesliga! Endlich wieder Normalität in einem Land, das sich von #flattenthecurve und #stayathome nach Fußball sehnt. Ganz Deutschland?

Diese Freude können wohl kaum alle Menschen im Lande teilen. Vor allem die Berufe, die vor wenigen Wochen noch als #systemrelevant beklatscht wurden, können sich von dieser Anerkennung ihre Miete wohl kaum besser finanzieren als in „Vor-Corona-Zeiten“. Exemplarisch können u. A. die Pflegekräfte im Land benannt werden: Während vor Kurzem noch der Pflegebonus von 1.500,00 € ausgehandelt wurde, findet jetzt eine entwürdigende Debatte um die Finanzierung dieser Prämie statt. Ergänzend kann man hier das Personal im Einzelhandel aufführen: Statt die Leistungen, die jede*r Einzelne während der Ausgangsbeschränkungen erbracht hat, während ein Teil der Kundschaft emsig Klopapier und andere Produkte hamsterte, sollen die im Einzelhandel Beschäftigten jetzt noch mit zusätzlicher Sonntagsarbeit belohnt werden?

Während man über Hygienekonzepte der DFL diskutiert und diese für ausreichend hält (aber nur im Profi-, nicht im Breitensport), fehlt es an Konzepten in diversen Bildungseinrichtungen, Kindergärten und -tagesstätten sowie Universitäten. Während darüber diskutiert wird, ob ein Fußball-Profi oder gar die ganze Mannschaft in Quarantäne muss und was das für die Bundesliga bedeutet, in der viele Verträge zum 30. Juni auslaufen, müssen Schulkinder sich mit unzureichenden Sanitäranlagen in der Schule begnügen. Und dass es #systemrelevante Lehrkräfte und Erzieher*innen gibt, die Risikogruppen zugerechnet werden, spielt im gesellschaftlichen Diskurs scheinbar kaum eine Rolle.

Und diese Liste ließe sich gefühlt endlos weiterführen. Von LKW-Fahrer*innen, die Schwierigkeiten haben während ihrer #systemrelevanten Arbeit sanitäre Anlagen zu finden. Von Alleinerziehenden, die zwischen Home Office und Home Schooling zerrieben werden. Von einkommensschwachen Familien, die unter dem Ausfall von Tafeln und erhöhter Preise für Lebensmittel leiden. Selbst eine Forderung von 100,00 € mehr im Monat findet kein Gehör im gesellschaftlichen Diskurs. Von Geflüchteten in Deutschland, die sich ein Zimmer mit mehreren anderen Geflüchteten teilen. Oder von Geflüchteten an den europäischen Grenzen, denen nicht mal sanitäre Anlagen zur Verfügung gestellt werden (#LeaveNoOneBehind). Von Studierenden, denen wichtige Einkommensquellen u.a. aus dem Nebenjob fehlen. Das sind nur einige Beispiele für Gruppen, deren Bedürfnisse im öffentlichen Diskurs kaum Erwähnung im Gegensatz zu den Interessen des Profifußballs finden.

Wir als DGB-Hochschulgruppe wollen eine Diskurs-Verschiebung: Statt des Fokus auf Profifußball oder auf eine Rettung von Unternehmen (u. A. als stille Teilhaber) ohne Chance auf eine sozial-ökologische (Wirtschafts-)Politik wollen wir, dass die für unsere Gesellschaft relevanten Berufe heraus aus der Abseitsfalle und hinein in den Fokus des gesellschaftlichen Diskurs kommen: Diese müssen aufgewertet werden! Sei es in der Logistik, Pflege, Lebensmittelhandel, Soziale Dienste oder wo man diese Berufe überall findet! Und darauf muss der Fokus liegen: Auf Wertschätzung in Form von entsprechenden Tarifverträgen und nicht beim wohlwollenden Klatschen vom Fenster aus!

Nicht Brot, nicht Quark, Solidarität macht stark!

(Anmerkung: Dieser Blogeintrag war unser digitales/kontaktloses Flugblatt zu unserem Straßentheater am 13.05.2020 am Gabelmann.)