Nachtrag: Bamberger Christopher Street Day 2021

Im Text werden verschiedene Begriffe verwendet, die zum Teil szenespezifisch sind. Falls Begriffe beim Lesen verwirren, sei ein Blick ins deutsche queere Lexikon empfohlen: [x]

Dieses Jahr wurde zum zweiten mal ein Christopher Street Day (CSD) im Bamberg veranstaltet. Zu dem Umzug am Samstag dem 3. Juli 2021 versammelten sich über 500 Menschen am Bahnhofsvorplatz [x].

Nach ersten Redebeiträgen und Gesang lief diese Menge dann bunte Pride-Fahnen [x] schwenkend zum Maxplatz, wo auf Grund der Versammlungsbeschränkungen nur noch 200 Teilnehmer*innen der offiziellen Veranstaltung beiwohnen durften, was die Menge der Straßen auf dem in der prallen Sonne liegenden Maxplatz deutlich ausdünnte. Hier folgten weitere Reden und eine Lyp-Sync Performance.

Auch wir in der DGB-Hochschulgruppe wurden zwecks Beitrag gefragt, was zugegeben zunächst eher auf Zurückhaltung gestoßen ist. Immerhin ist stolzes Ausleben queerer Identität in dieser Art kein Kernthema gewerkschaftlicher Arbeit und der DGB muss in Sachen queerfeindlicher Äußerungen auch mindestens stirnrunzelnd auf die eigene Geschichte schauen [x] – überhaupt sollten auf einem CSD die Stimmen queerer Menschen gehört werden. Andererseits ist natürlich auch unsere Gruppe kein hetero/cis Haufen, der DGB hat sich weiterentwickelt und unbeschwertes Leben zu ermöglichen ist das Ziel aller DGB-Gewerkschaften – mittlerweile auch unabhängig von sexueller Orientierung (das Geschlechtsbinär…ist in Arbeit).

Wir waren also mit Anas’ Rede beteiligt, die sich selbst als nicht-binär identifizieren (und für smoothe Grammatik die englischen Pronomen ‚they/them‘ als deutsches Plural-‚sie‘ übernehmen). In der Rede kritisierte Anas zunächst, wie vorherige Redner*innen, das Phänomen des „Regenbogenkapitalismus“([x] cw: homofeindliche Gewalt, [x]), der Pride-Umzüge zunehmend kommerzialisiert und marginalisierte Gruppen, die Pride-Veranstaltungen ursprünglich ermöglichten, wie die Leather-Community, oder auch einfach nur arme Menschen, als zum cleanen Brand-Image unpassend verdrängt. (Beispiel für Argumentation gegen Kink at Pride: [x] und kurzer Abriss, warum das zu kurz gedacht ist: [x])

Das Kernthema der Rede war Veränderung durch Beharrlichkeit, mit den Werkzeugen des Erinnerns und Fortschreibens. Das erläuterte Anas am Beispiel der CSD-Feiern und des Kampftags der Arbeiter*innen am 1. Mai, die sich jeweils auf die Stonewall Riots im Juni 1969 in New York [x] und die Haymarket Riots [x] im Mai 1886 in Chicago beziehen. In beiden Fällen kam es zu Auseinandersetzungen Unterprivilegierter mit der Polizei, der Exekutive einer Staatsmacht, die deren Menschenrechte beschnitt. In beiden Fällen diente die anhaltende Erinnerung an die Ereignisse den Nachkommenden zur Motivation weiter für ihre Rechte einzutreten. Aus dieser Sicht sind sie ein auslösender Faktor für Veränderungen von denen wir heute gesamtgesellschaftlich profitieren: Im Vergleich zum 19. Jahrhundert hat sich die Situation einiger Arbeiter*innen signifikant verbessert und Anfeindungen wegen der sexuellen Orientierung sind nicht mehr staatlich gebilligt, sondern als Diskriminierung theoretisch anerkannt.

 

Während Erinnerung lediglich auf bereits Geschehenes zurückgreift, erfordert Fortschreiben aktive Eingriffe. Darauf wies Anas mit Blick auf inklusive Sprache hin: „In unserem Sprachgebrauch sind bestimmte Gruppenbezeichnungen aus Gründen wie Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus und Homophobie negativ konnotiert, sprich diskriminierend. Es ist an uns diese Wörter aus dem aktiven Wortschatz verschwinden zu lassen oder ihre Bedeutung zu ändern, wie das mit den Begriffen Queer und Dyke ja durchaus geschehen ist. Bitte nicht als Einladung an Weiße verstehen, das N-Wort wieder raus zu holen, über solche Aneignungen haben nur Betroffene zu entscheiden und ihr solltet wissen welche Worte ihr direkt aussparen könnt. Ja, das ist politische Beeinflussung von Sprache, nein unpolitische Sprache gibt es nicht – Sprache bestimmt unseren Vorstellungshorizont. “ Was sie mit dem Beispiel der eigenen Identitätsfindung untermauerten – von den von anderen angesetzten weiblichen oder männlichen Ansprüchen passte keiner, erst der englische Kunstbegriff ‚agender‘, der geschlechtslos in einem vom binären Geschlechtssystem abweichenden Verständnis meint und ein Typ der nicht-binären Identitäten ist, umschrieb das eigene Erlebnis von Geschlecht. Sprachliche Beschränkungen verkomplizieren auch das Schreiben dieses Textes – Grüße von der Metaebene – in Form der für Anas gewählten Pronomen, nämlich nicht sie oder er oder es, sondern irgendwas außerhalb dieses Systems. Im englischen Sprachraum ist das Pronomen they/them, das im deutschen Schulunterricht als Äquivalent zum deutschen Plural ‚sie‘ gelehrt wird, mittlerweile als neutrales Singularpronomen für Menschen recht gebräuchlich. Dort wie hier experimentieren nicht-binär identifizierende Menschen weiter mit alternativen Kunstpronomen, von denen sich im deutschen Sprachraum bisher keines wirklich durchsetzen konnte. Weswegen Anas an den Maxplatz appellierte sich weiterhin für inklusive Sprache einzusetzen. Und hofft, dass wir alle in Zukunft spielerischer mit Sprache umgehen, was die Entwicklung von Neopronomen deutlich erleichtern würde.

Anschließend ging Anas noch auf die Geschichte queerer Menschen innerhalb des DGB ein. Dabei diente diese [x] Übersichtswebsite des Bundesarbeitskreises Regenbogen der ver.di als Hauptquelle, weshalb hier nur darauf hingewiesen sei, dass sich queere Menschen ihren Platz auch in den Gewerkschaften erstreiten mussten und Ende der 1970er Jahre das erste mal offen als Lesben, Schwule und Bisexuelle, fürderhin als LesBiSchwuler Block, bei der 1. Mai Demo mitliefen. Diese Kampf hat aber Früchte getragen und in vielen Gewerkschaften gibt es spezielle Interessenvertretungen für queere Mitglieder und Themen. [x]

Ein paar konkrete Beispiele aus der Gewerkschaftsarbeit: unlängst solidarisierte sich die EVG mit einem wegen seiner Homosexualität stark angefeindetem Mitglied in der Aktion # TeamMichi [x].

Um solchen Vorfällen grundsätzlich vorzubeugen, setzt sich die GEW für Lehrmaterial ein, das die Vielfalt der Lebensweisen positiv abbildet. Damit macht sie gezielt das, was immer wieder verboten wird unter dem Vorwand queere Lebensweisen wären Kindern nicht zumutbar (im europäischen Raum zuletzt in Ungarn, schon länger in Russland, aber zeitweise eben auch im UK). Eine Sichtweise, die sich aus der Jahrhunderte langen Diffamierung nicht-heterosexueller bzw. Cis-Gender Lebenswirklichkeiten als ‚unnatürlich‘ speist [vgl x].

Abschließend verwies Anas auf den inklusiven Grundton der Hochschulgruppe – alle werden nach ihren präferierten Pronomen gefragt, wir arbeiten aktiv daran geschlechterbewusste Sprache zu verwenden und Antidiskriminierung ist ohnehin ein Kernthema unserer Arbeit.

Wir sehen uns wieder beim mit euch queereren 1. Mai 😉

Weitere Links:

GEW: [x]

IGay BAU: [x]

Bundesarbeitskreis Regenbogender ver.di: [x]