Redebeitrag zur Mahnwache

Vor Kurzem kam es im thüringischen Landtag durch die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) im dritten Wahlgang mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD zum Dammbruch. In den darauf folgenden Tagen machten Parteien, NGOs und weitere außerparlamentarische Organisationen ihre Ablehnung mit Nachdruck deutlich. Im weiteren Verlauf wurde u.a. vom DGB eine Resolution verabschiedet. Durch massenhaften Protest der Zivilgesellschaft konnte ein Ministerpräsident von Gnaden der AfD verhindert werden. Dieser Protest fand mit 300 Teilnehmer*innen auch in Bamberg statt:

Mahnwache in Bamberg

(Bildquelle: Facebook-Veranstaltung)

Auch als DGB-Hochschule haben wir einen Redebeitrag beigesteuert, den wir an dieser Stelle dokumentieren möchten:

Liebe Anwesenden,

vielen Dank, dass diese Kundgebung so spontan zu Stande kam und vielen Dank an alle, die hier sind! Wir alle sind immer noch geschockt von dem, was sich dort gestern in Erfurt, der Landeshauptstadt Thüringens, ereignet hat: die Landtagsfraktion der AfD ließ mit undemokratischem Kalkül ihren MP-Kandidaten im dritten Wahlgang nur im Rennen, um den Kandidaten der FDP, Thomas Kemmerich, zu wählen. Diese, den Faschisten Björn Höcke als Vorsitzenden habenden, AfD scheint nun die Regierung unseres Nachbarbundeslandes mitzubestimmen. Und das ist nicht nur ein Problem für Thüringen, sondern ist ein deutschlandweites Aufstoßen der Tür für den Faschismus! Dass diese sogenannte AfD zu solch einem Akt bereit war, überrascht ja viele von uns nicht einmal. Dass der Kandidat der FDP, Thomas Kemmerich, diese Wahl allerdings angenommen hatte, wenn es da nicht im Vorhinein bereits Absprachen gab, war ein Paukenschlag. Man sieht das in den Aufnahmen aus dem Erfurter Parlament nicht nur in den entgleisten Gesichtszügen der linken Fraktionsangehörigen, sondern auch in denen vieler anderer demokratischer MdLs. Verständlich, denn wir wissen ja, es können einem, wenn man der Auffassung Höckes Unterrichts folgt, nicht nur die Gesichtszüge, sondern auch das Geschichtsgefüge entgleisen. Deshalb sprach unser DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann gestern auch von einem „schwarzen Tag für Thüringen und die gesamte Bundesrepublik“. Er meint auch: „Es ist skandalös, dass CDU und FDP sich nicht zu schade sind, gemeinsam mit den Faschisten der Höcke-AfD einen Ministerpräsidenten ins Amt zu befördern, der jegliche Zusammenarbeit mit der AfD im Wahlkampf ausgeschlossen hatte. Was wir hier erleben ist ein unvergleichlicher Wort- und Vertrauensbruch, der die Bundespolitik noch lange beschäftigen wird.“

Froh bin ich darüber, dass Martin Pöhner, OB-Kandidat der FDP Bamberg, sich bereits gestern bei einer Wahlkampfveranstaltung und der Presse gegenüber lange vor dem jetzt beschlossenen Rücktritt in aller Form gegen das Verhalten von Kemmerich gestellt hat. Auch er setzt sich für einen demokratischen Diskurs und gegen zwielichtige Machenschaften ein. Von Ihnen sollten sich die Freien Demokraten Thüringens für die Zukunft eine Scheibe abschneiden, Herr Pöhner, vielen Dank! Einen Morgen später lasen wir nun aber heuchlerische Pressemeldungen von Kemmerich und weiteren nicht ganz so freien und nicht ganz so demokratischen FDPlern: man sei immer noch Anti-Höcke. Da sagt der Handschlag gestern aber etwas anderes. Wahre Demokraten haben Rückgrat und lassen sich nicht als Steigbügelhalter des Faschismus missbrauchen! Nach langem Treten und Trotzen hat das Herr Kemmerich glücklicherweise auch endlich begriffen, die CDU-Fraktion leider noch nicht: sie lehnt Neuwahlen ab. Ich sage es ein für alle Mal klar und deutlich: wer sich auf die Seite der Thüringer AfD stellt und versucht, den „Willen des Volkes“ – also den MP einer Partei mit FÜNF PROZENT – durchzusetzen, der hat ein Demokratieverständnis, das der Republik nicht gerecht wird!

Und zu guter Letzt: ich stehe hier oben als junger Gewerkschaftler und als demokratischer Sozialist. Für meine Tätigkeit würden mich viele AfD-Sympathisant*innen gerne für den Rest meines Lebens arbeitslos sehen, wenn sie unsere Verbunde nicht in Facebookkommentaren direkt verbal angreifen. Für meine verfassungstreue und demokratische politische Haltung werde ich in diesen Tagen als jemand bezeichnet, der die DDR wieder will – und der Staat schaut nicht nur zu, er stützt Menschen wie Hans-Georg Maaßen, die zu den gestrigen Ereignissen lediglich zu sagen haben: „Hauptsache, die Sozialisten sind weg.“ Unsere Freund*innen von der Linkspartei sind nicht die SED, deshalb werte ich so etwas als einen Angriff auf unsere demokratische Zivilgesellschaft! Und ein Angriff auf einen von uns Demokraten ist ein Angriff auf alle! Deshalb stehen wir hier zusammen, gegen den Rechtsruck, gegen den aufkeimenden Faschismus, Seite an Seite, Grüne mit Linken, Jusos mit Gewerkschaftlern, Klimaaktivist*innen mit der mündigen Zivilgesellschaft und Seite an Seite mit allen, die das auch als allerletztes Warnsignal verstanden haben. Danke für euer Engagement, egal in welchem Rahmen. Hauptsache, es ist demokratisch. Und so lange der Rechtsruck in diesem Land voranschreitet, wird unser Widerstand weitergehen. La resistenzia continuo!