8. März in Bamberg: „Nieder mit dem Patriarchat! Solidarität!“

Care-Transpi zum Frauen*kampftag(alle Fotos im Artikel von Julian Megerle)

Zum Frauenkampftag lud das feministische Bündnis 8. März Bamberg (zum Facebook-Profil) zur Kundgebung auf den Maxplatz. Trotz grauem Himmel und Kälte füllten die Zuhörer*innen unter den gegebenen Abstandsbedingungen den Maxplatz.

Nach der Verlesung der Auflagen zur Kundgebung in Pandemiezeiten erinnerte Hannah vom feministischen Bündnis 8. März Bamberg an den Umzug im letzten Jahr (siehe auch Fotoalbum von Heinrich Kolb). Hannah rief die solidarische Tradition des 8. März mit Clara Zetkin als prominenter Vertreterin in Erinnerung.

Danach wurden die Schwerpunkte der Kundgebung vorgestellt: Das Problem der unbezahlten Sorgearbeit, die immer noch vor allem Frauen betrifft, sowie als konkrete Ziele die Abschaffung der StGB-Paragraphen 218 und 219a, die durch die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen Gesundheit und Lebensqualität schwangerer und gebärfähiger Personen gefährden, sowie die Stärkung der intersektionalen Zusammenarbeit, da Feminismus nicht durch Aneignung der Unterdrückungsmethoden des Patriarchats weißen Cis-Frauen zur Girlboss-Mentalität verhelfen soll, sondern vielmehr seit Jahren für die Gleichstellung aller Menschen arbeitet.

Lena vom feministischen Bündnis 8. März Bamberg setzte sich in der ersten Rede mit der Geschichte der StGB §218 und §219 auseinander, die jeweils in das 19. Jahrhundert und die Zeit des Nationalsozialismus zurückreichen und nur kleinere Änderungen erfahren haben. Einrichtungen, die in Deutschland die Abbrüche vornehmen, gibt es immer weniger, wodurch sich deren Zugänglichkeit zusätzlich erschwert – gerade für Personen außerhalb größerer Städte. Dies hängt auch damit zusammen, dass die in §218a verlangte Beratung vor einem strafbefreiten Schwangerschaftsabbruch nicht von der Ärzt*in, die diesen Abbruch vornimmt, geführt werden darf. Hürden zum Schutz ungeborenen Lebens werden so zunehmend zu Hürden ungewollt schwangerer Personen. Dass Erschweren oder gänzliche Verwehrung legaler Schwangerschaftsabbrüche in sicherer Umgebung diese nicht verhinderten, zeigen weltweit Beispiele aus den Ländern in denen Schwangerschaftsabbrüche weiterhin teilweise oder ausnahmslos strafbar sind. Dagegen ließen sich im vergangenen Jahr aber auch Erfolge verzeichnen: durch Entkriminalisierung zum Beispiel in Argentinien, Südkorea, Thailand und Neuseeland.
Die Rede schloss mit der Forderung StGB §218 und §219a abzuschaffen, Schwangerschaftsabbrüche als Kassenleistung zu decken und dem Aufruf zur internationalen Solidarität.

Teilnehmer*innen bei der Kundgebung am Maxplatz

Die zweite Rede begann Marie, Mitarbeiterin der Frauenbeauftragten der SoWi/Sozialwissenschaften an der Uni, mit dem Zitat aus dem Werk „SOLANGE“ der Künstlerin Katharina Cibulka: „Solange der Kunstmarkt ein Boys‘ club ist, bin ich Feministin.“ und befasste sich mit dem Problem der Unterrepräsentation von FLINTA* in höheren Positionen des akademischen Umfelds: Während das Verhältnis männlicher im Vergleich zu FLINTA*-Studierenden ungefähr gleich ist, werden rund 88% der Professuren in Deutschland von Männern gehalten. FLINTA* nehmen sich demnach überdurchschnittlich zu Gunsten der häuslichen Sorgearbeit und der Familienplanung aus der akademischen Karriere zurück, während sie aktuell auch nicht so stark von etablierten sozialen Netzen profitieren können, wie dies Männern in einem über Jahrhunderte Männern vorbehaltenen System möglich ist. Diese ungerechte Verteilung scheint in der Pandemie noch zuzunehmen.

Lea von Share your story Bamberg benannte die Problematik der Intersektionalität: Als schwarze Frau in Bamberg erfährt sie Diskriminierung mehrfach und zum Teil überlappend als Minderheit in Diskriminiertenvertretungen: Als Schwarze in Frauengruppen und als Frau in PoC-Gruppen. Sie machte auf die Arbeit schwarzer Feminist*innen, besonders in der Tradition des Combahee River Collective, aufmerksam. Dieses machte, am Beispiel der eigenen Erfahrungen als schwarze, lesbische Frauen in den 1970er Jahren in den USA auf die zusätzliche Belastung der Mehrfachdiskriminierung aufmerksam. Sie sahen sich als Sozialistinnen, deren Revolution nur mit Feminismus und Anti-Rassismus erfolgreich sein würde. Mit diesen komplexen Themen sehen sich nicht-weiße FLINTA* weiterhin konfrontiert. Lea erinnerte an die Frauen Bambergs im Ankerzentrum und erwähnte den Schweizer Beschluss eines Verhüllungsverbotes im öffentlichen Raum, das zwar auch für Demonstrierende gilt, jedoch mit Bildern von Frauen in Niqab und Burka als Kampf gegen islamischen Extremismus beworben wurde. In der Diskussion um dieses Verbot vermischten sich scheinbare Frauenrechtsanliegen und Islamophobie. [Frauen, die in die Vollverschleierung gezwungen werden, können jetzt nicht mehr legal in den öffentlichen Raum, dahin, wo sie mit Menschen anderer Weltbilder in Kontakt kommen könnten. Wirkliche feministische Lösungsansätze können nicht mit zusätzlicher Unterdrückung argumentieren. – mehr dazu hier – Anmerkung Verf.]
In diesem Sinne bat Lea darum besonders auf die zu achten, die Mehrfachdiskriminierung erfahren.

Transpi des Bündnisses

Als nächstes widmete sich Magdalene, ver.di-Gewerkschaftssekretärin für den Bereich Gesundheit und Soziales, dem Streik als Mittel des Klassenkampfs gegen die kapitalistische Ausbeutung. Problem dabei sei das bestehende System, in dem unbezahlte Sorgearbeit vor allem von Frauen übernommen werde. Diesen bleibe der Streik als Mittel weitgehend verwehrt, da von ihrem Streik die Kapitalisten nur mittelbar betroffen werden. Wenn Menschen Lohnarbeitenden deren Anteil der uns alle betreffenden Sorgeaufgaben abnehmen, damit diese ihrer Lohnarbeit überhaupt angemessen nachgehen können, befreien sie damit Kapitalisten von der Aufgabe die nötigen Ressourcen für die Arbeit, auf die sie angewiesen sind, bereitzustellen. Diese für die Funktion einer kapitalistischen Gesellschaft wichtige Arbeit wird von dieser aber nicht als solche anerkannt, was das Unterschlagen entsprechender Vergütung ermöglicht. Hier forderte Magdalene ein fundamentales Umdenken, es müsse umfassende Sorgeeinrichtungen geben: für Kinder- und Altenbetreuung, Hausarbeit müsse durch Kantinen, Wäschereien und bezahlte Putzdienste abgefangen werden, die nicht von Lohnarbeitenden zu finanzieren seien, sondern von denen, die von dieser Arbeit profitierten – ein Umdenken an deren Ende Magdalene die Forderung nach einer demokratischen Planwirtschaft stellte.

Ulrike von der Gruppe feministische Elternschaft sprach als Frau, die sich für ihre Elternrolle entschieden habe, ohne damit automatisch das vom Patriarchat vorgeschriebene Mutter-Vater-Kind-Spiel mitspielen zu wollen, in dem die Mutter für die unbezahlte Sorgearbeit zuständig wäre und der Vater, von dieser zugunsten der Lohnarbeit befreit, womöglich sogar noch einen gesellschaftlichen Bonus für das Kinderwagenschieben bekommt. Ulrike beschrieb das Dilemma, dass Sorgearbeit einen unersetzlichen Dienst für die Gesellschaft leiste, gleichzeitig aber die sorgende Person in ihren Möglichkeiten zur Lohnarbeit einschränkt. Ein Umstand, der besonders für Alleinerziehende zum Verhängnis werden kann. Auch das Frauen in Deutschland je nach kultureller Prägung ihrer Familie mitunter scheinbar keine Alternative zur Hauptübernahme der Sorgearbeit haben, führte Ulrike an. Deswegen sei der Elternstreik als wichtiges Mittel anzusehen, auf die Leistung der Eltern in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen.

Zum Abschluss sprach Leonie aus dem Vorstand des AStA Bamberg. Als Arbeiter*innenkind, bisexuell und nicht-binär sieht Leonie sich mehreren Alltagsdiskriminierungen ausgesetzt und bedankte sich deshalb für feministische Räume und Menschen, die heteronormative Strukturen und Cis-Normativität bemerken, hinterfragen und umdenken. Leonie machte darauf aufmerksam, dass der strukturelle Frauenhass des Patriarchats sich gegen alle nicht als „männlich“ gelesenen Menschen richtet. Deswegen ist Leonie politisch aktiv, auch für die, die gerade nicht politisch aktiv sein können, weil sie mit der Lohn- und Sorgearbeit beschäftigt sind oder weil sie krank oder gefangen sind, wie Leonies Freundin Alana Gebremariam vom Aktionsbündnis Belarus. Alana sitzt aktuell in Minsk in Untersuchungshaft, nachdem sie sich jahrelang für Demokratie in ihrem eingesetzt hatte. Leonie bat um Aufmerksamkeit für die Lage in Belarus und verabschiedete sich mit „Passt auf euch auf! Nieder mit dem Patriarchat! Solidarität!“

Platz für Redner*innen auf Kundgebung