Moria brennt! Rückblick auf die spontane Kundgebung und Redebeitrag

In den Morgenstunden des 9. Septembers erreichte auch die Bundesrepublik die Nachricht eines großen Feuers im Geflüchtetenlager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Dass die Lage dort seit Monaten bedenklich und das Nicht-Helfen der EU und seiner Mitgliedsstaaten eine moralische Bankrotterklärung ist, wussten im Vorhinein bereits viele Gewerkschafter*innen und Menschenrechtler*innen klarzustellen.

(Quelle: Seebrücke Bamberg)

Um die unmenschlichen Verhältnisse in dem Lager aufzuzeigen und sich für eine Aufnahme der Geflüchteten stark zu machen, organisierte die Seebrücke Bamberg mit Unterstützung einiger Aktivist*innen eine spontane Kundgebung am Maxplatz.

Auch wir waren dort mit einem Redebeitrag vertreten, den wir euch nicht vorenthalten wollen:

„Hallo zusammen,

schon seit Monaten ist die Lage im Camp von Moria prekär. Unzählige Petitionen, Reden und Stunden an zivilem Engagement haben bereits versucht, einen Einfluss auf das Geschehen zu nehmen. Beispielhaft möchte ich hier den offenen Brief der DGB-Jugend von Anfang April 2020 an die zuständigen Bundesministerien benennen. Denn als Gewerkschaftsjugend bekennen wir uns zur Solidarität mit Menschen auf der Flucht und fordern sichere Fluchtwege und eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Schon damals stand fest: Was nützt es uns, die Ode an die Freude von unseren Fensterbrettern zu singen, wenn wir an den Außengrenzen der EU einen der wichtigsten Grundpfeiler dieses Staatenbundes vergessen: die Menschlichkeit!

All dieser Einsatz, auch von Seenotretter*innen, trifft auf Widerstand: In verbaler Form von selbsterklärten Patriot*innen, die in ihrem sicheren Heim dem Sozialdarwinismus huldigen, und in nonverbaler Form durch auch aus diesem Land angereiste Rechtsextreme, die das griechische Militär dabei unterstützen, Menschen aktiv auf das offene Meer zurück zu prügeln.

Und als wäre all das nicht bereits schlimm genug, wirft man dann nach den schrecklichen Ereignissen von gestern Nacht in dem völlig überfüllten Camp in Moria einen Blick auf die Pressestatements der regierenden deutschen Politiker*innen: Gibt es Hilfefonds, wie für Notre Dame, oder gar ein Aufnehmen der Menschen, die dort Not leiden? Fehlanzeige. Mathias Middelberg von der CDU/CSU-Fraktion lässt sich stattdessen sogar zu folgender moralischen Bankrotterklärung in Bezug auf schnelle Hilfe von Seiten der Bundesrepublik hinreißen: „Alleingänge Deutschlands wären nicht hilfreich, weil sie den Eindruck erwecken könnten, Deutschland werde die Flüchtlinge allein aufnehmen.“ Das schockt jede Person, der Menschenrechte am Herzen liegen. Dieser Abgeordnete hat im Übrigen bereits 2018 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz als einen „sehr guten und ausgewogenen Kompromiss“ bezeichnet, da es im erst zu viele „Missbrauchsmöglichkeiten und mögliche Fehlanreize“ beinhaltete. Er befürwortete das abschiebefreundliche „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ und spricht sich dafür aus, die Maghreb-Staaten für sichere Herkunftsländer zu erklären. Aus logischer Perspektive: Da Herr Middelberg wenn überhaupt sein Kaminfeuer und nicht seine Hausdecke prasselnd brennen hört, wird er wahrscheinlich sehr ruhig schlafen. Aus moralischer Perspektive: Wenn er solche Aussagen tätigt: Wie schläft dieser Mann nachts ruhig? Und vom menschenverachtenden Populismus der AfD, der in Form von Alice Weidel heute titelt „Europa darf sich nicht erpressen lassen!“, brauchen wir glaube ich gar nicht erst anzufangen.

Wir reden hier über Menschen, die unter unwürdigen Verhältnissen leben. Jetzt ist nicht die Zeit, um über eine geregelte Aufnahme zu debattieren. Diese wurde auf europäischer Ebene verpasst und von Rechtspopulist*innen und unserem deutschen Innenminister blockiert. Jetzt ist die Zeit, um eine humane Pflicht zu erfüllen! Wir als Gewerkschaftsjugend pflegen den europaweiten Austausch und stellten schon früh fest: Wir haben in Europa genug Platz! Sogar die heißgeliebte Wirtschaft hätte von der Migration profitieren können – wäre es nicht von vielen europäischen Staaten so kolossal blockiert worden.

Und außerdem: Dass Waffenexporte und Kriegsbeteiligungen statt Diplomatie und Deeskalation mehr statt weniger Geflüchtete fördern, scheint in vielen Bereichen unserer Gesellschaft leider noch nicht angekommen zu sein. Wer Lust auf antimilitaristische, menschliche und logischerweise arbeitnehmer*innenfreundliche Gewerkschaftspolitik hat, um vielleicht wenigstens ein bisschen etwas gegen diese Tragödie zu tun, der ist herzlich eingeladen, sich mit uns nach der Demo noch zu unterhalten. Zum Schluss muss auch hier wieder ein Zitat von Milli Dance herhalten, denn eines kann ich euch über die DGB Hochschulgruppe mit Sicherheit sagen: Mit eurer Mitarbeit bekommen wir stärkeren Beistand und Wertebereitschaft, denn im Gegensatz zur EU sind wir ´ne Wertegemeinschaft! Danke.“

(Unsere Rede, vorgetragen vor anderen Aktivist*innen)